About R. Ehrig: Flora & Vegetation der Kanaren
Zur Person
Prof. F. Reiner Ehrig - Dr. rer. nat. Dr. phil habil.
Ehemalige Professur für Pflanzengeographie (Geoökologie) und Klimageographie am Geographischen Institut der Universität Regensburg mit entsprechenden Lehrveranstaltungen: Grundvorlesungen, u.a. auch zur Kartographie und Luftbildaufklärung, Haupt- und Proseminaren, kleine und große Exkursionen - immer auf eigenes Risko, d.h. ohne jeglichen Versicherungsschutz durch den Dienstherrn! Ruhestand ab 2007.
Forschungsschwerpunkte
Forstgeographie in Bayern (Regensburg, Garmisch). Vegetationsgeographische Studien im Mittelmeergebiet (Korsika, Alpes-Maritimes, Jugoslawien, Balearen), Marokko und speziell auf den Kanarischen Inseln.
Forschungsreisen
Zum Teil mit längeren Aufenthalten: Südfrankreich u. Korsika / Griechenland - Kykladen - Rhodos - Kreta / Tunesien, Marokko, Israel, Ägypten, Indien, Thailand, Ceylon, Seychellen, Malediven und natürlich die Kanaren.
I. Pflanzen der Kanarischen Inseln
Plantas en ruta de las Islas Canarias. / Plants and flowers by the way from the Canary Islands.
Zur Geschichte
Die vegetationsgeographischen Studien waren früher mühsam, gab es doch weder Landkarten noch Pflanzen-Bestimmungsbücher. Für die Studenten der Exkursion 1980 entstand deshalb unser erster botanisch-ökologischer Feldführer (Fieldguide 1980) mit den häufigsten Pflanzen in einfachen Tuschezeichnungen nach botanischen Vorlagen (*), wie z. B. der "Flora Italica" und "Flora Europaea". Er bewährte sich in der Praxis, so daß später weitere Feldführer mit Dia-Kontaktkopien folgten, woraus schließlich dieser virtuelle Pflanzenführer der Kanarischen Inseln entstand.
Die Freude am Wunder der kanarischen Pflanzen, wie auch über ihre Merkwürdigkeiten, ließ auch nach Jahren nicht nach. Es zeigte sich aber sehr schnell der Nachteil des Fotografierens gegenüber dem herkömmlichen Pflanzensammeln, da zu Hause ein Nachbestimmen an Hand der Fotos oft nicht möglich war. Als mitteleuropäischer Besucher verweilt man jährlich meist nur 2-3 Wochen auf einer der Inseln und kann, im Gegensatz zum Einheimischen, nicht wiederholt ins Gelände fahren, um Pflanzenaufnahmen zu wiederholen. Deshalb fotografierten wir die einzelnen Pflanzen mehrfach, um auf diese Weise verschiedene Aspekte zu erfassen, wie es früher bei den unvergleichlichen Pflanzenzeichnungen üblich war. So ergab sich im Laufe der Jahre eine umfangreiche Sammlung von Pflanzenaufnahmen, woraus die hier vorgestellten Aufnahmen ausgewählt wurden.
Die Pflanzennamen
Die durchgehende Verwendung der deutschen Pflanzennamen wäre wünschenswert gewesen, erwies sich aber für viele Gattungen auf den Kanaren durch ihre Sonderformen als wenig sinnvoll, da es sich meist um Phantasienamen oder Übersetzungen handelt. Deshalb wird der international gebräuchliche, wissenschaftliche Name an erster Stelle geführt, gefolgt von den deutschen und kanarischen Pflanzennamen, soweit sie gegenwärtig verfügbar sind. Bei den Zierpflanzen wurden – soweit zugänglich - auch die englischen Namen angeführt.
Zur Bildqualität
Manche interessante Pflanzenfotos stammen noch von Dias, oft aber ist die Qualität der Kopien wissenschaftlich wenig erfreulich, zuweilen aber erstaunlich künstlerisch. Auch die Tuschezeichnungen, gezeichnet nach botanischen Monographien ("Flora Italica", "Flora Europaea" *), wurden wegen ihres unübertroffenen Informationswertes zur Ergänzung der Fotos hier beibehalten. So weit als möglich wurden jedoch die alten Fotos bzw. Tuschzeichnungen durch neue Digitalaufnahmen ersetzt.
II. Vegetation und Umwelt der Kanarischen Inseln
Vegetación et Medio Ambiente de las Islas Canarias. / Vegetation and environment from the Canary Islands.
Der Rahmen
Seit 1977 besuchten wir die Kanaren dienstlich im Rahmen von Geographischen Exkursionen, wie auch privat immer wieder. Das pflanzengeographische Studium der kanarischen Vegetation stand immer im Vordergrund, insbesondere der Rest des Lorbeerwaldes von Los Tilos (Moya) und die Vegetation der Dünen von Maspalomas auf Gran Canaria. In beiden Fällen war die Vegetation sehr stark gefährdet, vor allem der Los Tilos-Lorbeerwald war zum Weekend-Grillplatz der Großstädter von Las Palmas geworden. Die Vegetation der Dünen war bis 1977 durch Ziegenweide und Holzeinschlag (!) stark übernutzt und die öffentliche Diskussion über eine wahrscheinliche Vernichtung durch den sich verstärkenden Massentourismus begann in den Medien.
Seitdem haben sich die Kanaren grundlegend verändert. Die Explosion des Tertiären Sektors, Urbanisierung, Zersiedelung, Massentourismus haben den für uns herben Charme der Inseln fast überall verdrängt und zwar in einer für Europa einzigartigen Geschwindigkeit, aber langsam entwickelte sich ein „Naturbewusstsein“ – auch bei den Städtern. Der Natur- bzw. Umweltschutz gewann immer mehr an Gewicht, so dass ab 1982 die Öffentliche Hand - neben radikalen Bausanierungsmaßnahmen im Küstenbereich - Schutzgebiete auswies und somit Forstwirtschaft als auch traditionelle Weidewirtschaft (!) abschaffte. Zugleich wurden zahlreiche Forschungs- und Regenerationsprojekte eingerichtet, wie z.B. der Versuch einer Renaturierung des Lorbeerwaldrestes von LosTilos de Moya (C), dem viele weitere folgten.
Inhalt
Es handelt sich um eine vegetationsgeographische Gliederung der kanarischen Landschaft in Zusammenhang mit ihrer Umwelt bzw. aktuellen Umweltveränderung, wie sie in der kanarischen Geschichte einmalig ist. Wir sprechen immer von den „Kanaren“, tatsächlich aber ist jede der sieben Inseln eine geographische Einheit, mit eigenem landschaftlichen Charakter und typischer Vegetation. Dementsprechend muß ein Überblick über die kanarische Vegetation stark generalisieren, was am besten durch die Verwendung der sog. Pflanzenformationen, physiognomisch definierter Pflanzengesellschaften, geschieht.
Gliederung: Vegetation und Umwelt
- Vegetation
Die Vegetation der Kanaren wird in 5 Kapiteln mit den Hauptformationen vorgestellt, gegliedert nach der klassischen Klimaeinteilung in „heisse Tiefenstufe“ (Zone unter den Wolken), „Waldstufe“ (Zone in den Wolken) und der „Hochgebirgsstufe“ (Zone über den Wolken). Ausserdem werden einige nicht klimagebundene Vegetationsgesellschaften im 4. Kapitel (Azonale Habitate) aufgeführt. Streng genommen ist die Vegetation der Sand-Salztonböden und die Salzwiese azonal, aber es erschien uns hier sinnvoller, sie einer Klimastufe zuzuordnen.
- Umwelt
Jede Vegetation hat – vereinfacht ausgedrückt - ihre eigene Umwelt. Die vom Menschen unbeeinflusste Vegetation wird als natürlich bezeichnet, ist jedoch in Europa, also auch auf den Kanaren, faktisch nicht mehr vorhanden. Der sich über die Jahrhunderte intensivierende Einfluss des Menschen hat zu einer sich ständig ändernden Vegetation in diesen Kulturlandschaften geführt, man bezeichnet sie deshalb als reale Vegetation. Auf den Kanaren waren es mindestens vier grosse Wirtschaftsveränderungen der Kulturlandschaft, angefangen von der Wirtschaft der Urkanarier über die Rodungsphase der Spanier, den Monokulturphasen (Zuckerrohr-Cochenille-Wein-Tomaten-Bananen) zusammen mit der alten Weide-Transhumanz oder der neuzeitlichen Forstwirtschaft der kanarischen Kiefernwälder mit erheblichen Aufforstungen. Die letzte Wirtschafts- und Umweltveränderung begann um 1965 mit dem Massentourismus. Zusammen mit den EU-Förderungsmitteln setzte ein Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ein, mit gravierenden Umweltveränderungen von den Küstenzonen bis in das Gebirge.
Ausblick
Eine Anmerkung zum Schluß: verschiedene Vegetationsbilder lassen auf den ersten Blick den Schluss zu: „Wie schön sind doch die Kanaren!“ Stimmt einerseits. Andererseits aber.. Tatsächlich stammen unsere Vegetationsbilder von besonders interessanten Gebieten, die oft lange Anfahrtswege und Ortskenntnis bedingen. Außerdem wurden sie durchweg zu Beginn und am Ende des kanarischen „Winters“ aufgenommen, wobei dieser in den letzten 10 Jahren deutlich kälter wurde und sich die Vegetationsperiode, im Gegensatz zu früher, vom Februar in den April verzögerte.
Unsere Romantik der Kanaren ist Geschichte. Sie ist auch hier der globalen Wirtschaft gewichen und findet sich allenfalls noch auf den kleineren Inseln. Und die Zukunft der Natur, der Vegetation? Vielerorts versucht man die „Natürliche Vegetation“ zu rekonstruieren, sperrt sogar ganze Landschaftsteile für jeden Zugang, aber die Verstädterung ist omnipräsent. Hinzu kommt jetzt noch der Klimawandel. Werden die Dünen von Maspalomas in dreissig Jahren verschwunden sein? Welche Konsequenzen wird der Meeresspiegelanstieg für Politik und Wirtschaft, geschweige die noch überlebende Küstenvegetation haben? Was ist, wenn sich die Windströmungen im Rahmen der globalen Erwärmung verlagern und damit die Niederschlagsverhältnisse grundlegend ändern? Aber eben weil die Kanaren keine „Inseln des ewigen Frühlings“ sind, wird die vulkanerprobte alte Vegetation nicht nur Neophyten eingliedern…
Für uns wurden es jetzt vierzig Jahre mit der Suche nach der "Kanarischen Blume". Am Anfang war es für uns auf den Kanaren noch ziemlich „wild“, aber auch besonders erlebnisreich: keine Landkarten, bescheidene Quartiere mit Wasserknappheit, schlechte Strassen, Favelas und hoher Kriminalität – besonders auf Gran Canaria etc.
Über die Jahre gab es viele denkwürdige Begegnungen. An erster Stelle möchte ich Dr. HIGELKE danken, einem Kollegen und trotzdem guten Freund. Als zeitweiliger Exkursionsbegleiter war seine Fachkenntnis wie sein diplomatisches Geschick nicht nur bei den Studenten geschätzt. Einige Busexkursionen rettete er sogar vor dem neuerdings gewerkschaftlich geforderten 17-Uhr-"Out" irgendwo in der Landschaft. Hierher gehört natürlich auch unser herzlicher Dank an die unvergessenen Kollegen G.KUNKEL und V.VOGGENREITER, die trotz bitterer Lebensenttäuschungen auf den Kanaren, für uns stets und gerne zu Gesprächen bereit waren.
Natürlich darf ein später „Dank“ an meine Studenten der vielen „Exkursionen u. Ökologischen Praktika“ nicht fehlen. Vor vierzig Jahren galten unsere Exkursionen auf den Kanaren noch als „Expeditionen“ und das waren sie oft genug. Mit Improvisation, Offenheit, Teamgeist und Einsatz hatten die Studenten – insbesondere die Studentinnen – aber immer alles im Griff und einen erheblichen Anteil an den Vegetationskartierungen. Vor allem gaben sie den Anlass für diese Sammlung der kanarischen Pflanzen. Die Exkursionen wurden so für alle unvergessliche Erlebnisse, die sich auch heute noch bei meinen Begegnungen mit „Ehemaligen“ zeigen: „Herr Ehrig, wissen Sie noch damals, auf La Palma?“ …
Zum Schluss möchte ich mich besonders bei meiner lieben Ehefrau GUDRUN für ihre umsichtige Begleitung auf manchen privaten Exkursionstagen der letzten Jahre bedanken, wobei der "Pflanzen-Freak" die Geduld der Historikerin oft genug an ihre Grenze gebracht hat.
(*) Quellen:
Fiori, Adriano, Flora Italiana. Bologna 1981/1933
Pignatti, Sandro, Flora d’Italia, Bologna 1982
Rollan, M.G., Claves de la Flora de Espana, Madrid 1981
Zangheri, Pietro, Flora Italica, Padova 1976, II Tavole